Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Hunger ist nicht nur der aktuell knurrende Magen. Das Problem reicht viel weiter. Eine Dreiviertelmilliarde Menschen nimmt derzeit dauerhaft weniger Kalorien auf, als für ein gesundes und produktives Leben notwendig sind, obwohl weltweit ausreichend Kalorien produziert werden – ein Verteilungsproblem.
Es geht jedoch nicht nur um die reine Kalorienaufnahme, die Quantität, sondern, bei sogenannter Mangelernährung, auch um den Mangel an Energie, Proteinen, lebenswichtigen Vitaminen und Mineralstoffen – die Qualität der Nahrung. Insbesondere bei Kindern kann jede Form der Unterernährung fatale Folgen für das Individuum sowie die Gesamtgesellschaft haben. Wegen physischen und psychischen Entwicklungsverzögerungen, die sich nicht mehr im weiteren Leben ausgleichen lassen, können sie nicht ihr volles Potenzial ausschöpfen.
Landwirtschaft, die ausreichende und nährstoffreiche Nahrung für den lokalen und regionalen Bedarf produziert, ist ein Puzzlestück der Lösung. Mangelernährung kann allerdings selbst bei ausreichend quantitativer und qualitativer Versorgung vorliegen – dann, wenn der Körper, z. B. aufgrund von Infektionen und anderen Krankheiten, Nährstoffe nicht ausreichend verwerten kann. Solche Krankheiten entstehen häufig durch eingeschränkten Zugang zu Gesundheits-, Wasser- oder Sanitärversorgung. Dessen Sicherstellung ist somit auch Ernährungssicherung.
Der eingeschränkte Zugang ist wiederum meist mit Armut und Ungleichheit verbunden. Arme und benachteiligte Menschen haben oft geringeren Zugang zu Land, Bildung und Krediten. Muss ein Großteil des Einkommens für Nahrung ausgegeben werden, sind Preissteigerungen nicht mehr verkraftbar. Soziale Sicherungssysteme, wie wir sie in Deutschland kennen, existieren oft nicht. Lebensmittellieferungen sind dann nur eine kurzfristige Lösung.
Gerade Menschen auf dem Land sind darauf angewiesen, sich selbst zu versorgen und gleichzeitig so viel zu produzieren, dass es für die weiteren Lebenshaltungskosten reicht. Die immer dramatischeren Auswirkungen des Klimawandels spüren sie dort in Form von Überschwemmungen und Dürren, die Ernten und Viehherden zerstören und damit Existenzgrundlagen. Konflikte schneiden den Zugang zu ausreichender Nahrung immer häufiger ab, aktuell unter anderem in Gaza, Sudan oder Mali.
Frauen, die traditionell oft das Rückgrat der Ernährungssicherung für ihre Familien bilden, treffen die geschilderten Herausforderungen besonders. Nach wie vor patriarchale Strukturen erschweren das Leben zusätzlich. Gendergerechtigkeit ist nicht nur ein Menschenrecht – auch macht sie widerstandsfähiger gegenüber dem Klimawandel und verbessert die Ernährung.
Am 10. Oktober 2024 erscheint der neue Welthunger-Index, der alljährlich von der Welthungerhilfe, Concern Worldwide und dem Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht veröffentlicht wird. Der Bericht bietet einen Überblick über die globale Hungersituation und analysiert, welche Maßnahmen für Ernährungssicherheit notwendig sind – die weit über das Verteilen von Säcken mit Reis hinausgehen müssen, um der komplexen Problematik zu begegnen. Denn angemessene Nahrung ist ein Menschenrecht.
Viel Spaß beim Lesen des Newsletters wünschen
Miriam Wiemers und Dirk Ebach, Senior Policy Advisors bei der Welthungerhilfe
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