Liebe Leserinnen und Leser,
seit 20 Jahren wird der 19. November als Welttoilettentag begangen. Es war eine gute und richtige Idee des singapurischen Philanthropen Jack Sim, dem „stillen Örtchen“ einen ganzen Tag zu widmen. Der damalige Beraterkreis des VN-Generalsekretärs für Wasser und Sanitärversorgung (UNSGAB) unterstützte diese Idee vehement, die dann von der singapurischen Regierung als Resolution bei der VN-Generalversammlung 2013 eingebracht und dort auch einstimmig verabschiedet wurde.
Das war ein Glückstag für die Themen Toiletten/Latrinen, Hygiene, Menstruation, Ausscheidungen und sonstige Körperfunktionen, um sie aus der Schattenzone herauszuholen und sie auch im Rahmen der Vereinten Nationen und der Weltgemeinschaft zu enttabuisieren. Die Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen in Politik und Gesellschaft sowie die Medien werden mit diesem Tag jedes Jahr daran erinnert und erneut beauftragt, sich der schmutzigen Seite des Wassers zu widmen. Denn Toiletten, Hygieneeinrichtungen und sichere Abwasserentsorgung sind Grundvoraussetzungen für ein gesundes Leben.
UNICEF hat im März dieses Jahres Alarm geschlagen, dass unsauberes Wasser, fehlende Toiletten und mangelnde Hygiene für den Tod von 400.000 Kindern unter fünf Jahren pro Jahr verantwortlich sind, täglich sterben also 1000 Kinder an vermeidbaren unhygienischen Zuständen. Durchfallerkrankungen aufgrund schmutzigen Wassers sind die fünfthäufigste Todesursache weltweit und die dritthäufigste in Subsahara-Afrika. Neben Durchfall führen Darminfektionen und Wurmerkrankungen zu körperlichen und geistigen Entwicklungshemmnissen, selbst dann, wenn Kinder gesund ernährt werden. Laut der Weltgesundheitsorganisation(WHO) könnte der Anteil an Kindern, die an Unterernährung leiden, um 27 % gesenkt werden bei einer verbesserten Sanitärversorgung.
Es war also folgerichtig, dass die Vereinten Nationen im Rahmen der Agenda 2030 im Nachhaltigkeits-Entwicklungsziel zu Wasser und Sanitärversorgung (SDG 6) fordern, dass alle Menschen bis 2030 Zugang zu angemessener Sanitär- und Hygieneversorgung erhalten sollen. Denn es kann nicht länger hingenommen werden, dass 3,5 Milliarden Menschen immer noch keine Toilette mit sicherer Entsorgung haben und 419 Millionen Menschen sich im Freien erleichtern müssen, weil sie überhaupt keine Toilette haben. Trotz der Anstrengungen, während der COVID-Pandemie möglichst vielen Menschen das Händewaschen zu ermöglichen, haben immer noch 653 Millionen Menschen keinerlei Vorrichtung für Wasser und Seife. Um das Sanitärziel in sieben Jahren zu erreichen, müssten sich die Anstrengungen verfünffachen – der Countdown läuft!
Der Welttoilettentag ist ein erneuter Aufruf an alle Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, alles dafür zu tun, „den Wandel zu beschleunigen“ – so das offizielle Thema des diesjährigen Welttoilettentages.
Der Tag kann und sollte auch dazu genutzt werden, die Bedeutung von sauberem Wasser und Sanitäreinrichtungen in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit zu thematisieren. Hierfür bietet dieser Newsletter zahlreiche Anregungen.
Dr. Uschi Eid
ehem. Vorsitzende des Beraterkreises für Wasser und Sanitärversorgung des UN-Generalsekretärs
Parlamentarische Staatssekretärin a. D. im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) |